In Konversionsneurosen geschieht die Umwandlung eines verdrängten seelischen Konfliktes in ein körperliches Symptom. Es sind erlebnisbedingte Erkrankungen, die zu körperlichen Symptomen wie Lähmungen, Stummheit, Schmerzen jeglicher Art, Ohrensausen, Taubheitsgefühlen oder Sehstörungen führen. Doch seit Freud dies mit dem Namen Hysterie belegte, sind die klassischen Formen selten geworden. Wer gilt schon gern als hysterisch? Unzweifelhaft leidet man erheblich in einer Konversionsneurose, denn Schmerz und Lähmung sind ja vorhanden. Und doch sind es im Grunde herbeihalluzinierte Eigenproduktionen, allerdings von Realitätscharakter.
Diese machen durchaus einen Sinn, lenken sie doch vom Thema ab. Man kann durch dieses Leid masochistisch eine unbewusste „Schuld“ da abbüßen, wo zu Luthers Zeiten noch der Bußgürtel herhalten musste. Wer trägt ihn heute noch? Doch statt in eine masochistische „Hysterie“ geht man heute in der Regel in eine masochistische, früher „endogene“ Depression, in der man unbewusst und unerkannt von der heutigen Psychiatrie (Ausnahmen) leiden kann. Oder man geht in eine Fibromyalgie. Das Symptom ist dort ein Schmerz der „Sehnen und Muskeln“, oft auftretend im Rahmen eines (religiös bedingten) Sacco-Syndroms. Unter dem Sacco-Syndrom verstehen wir Erkrankungen, die durch religiöse Ängste entstehen. Sie setzen eine fundamentalistische Religion voraus, die mit diesen Ängsten, z. B. vor Folterstrafen in einem postulierten Jenseits, dogmatisch arbeitet. Fibromyalgie ist selten eine Diagnose! Es ist ein Symptom wie Husten oder Bauchweh. Auch ADS, Süchte, Bewusstseinsspaltungen und Autismus sind allermeist nur Symptome, liebe Psychiater. Eine Diagnose drückt die Ursache mit aus – falls bekannt. Falls sie einem unbekannt erscheint, muss man mit Denkprozessen beginnen, auch wenn es schwerfällt.
Freud beschreibt ein solches Sacco-Syndrom regelmäßig, z. B. bei der Analyse eines Fräuleins Elisabeth v. R. Sie wies eine ganze Bandbreite körperlicher Symptome auf. Ihre Schuld: Sie war in ihren Schwager verliebt und hatte nach dem Tod der Schwester für einen kurzen, sogleich verdrängten Moment den Gedanken: „Jetzt ist er frei, und ich kann seine Frau werden“. Kam dieser Gedanke später an den Rand ihres Bewusstseins, strafte sie sich, indem sie „sich dafür körperliche Schmerzen schuf“ (Sigmund Freud / Joseph Breuer, Studien über Hysterie, Fischer, S.127). Nota bene: Die Schuld der Elisabeth war gar keine. Für einfallende Gedanken kann der Mensch nichts. Was ist es dann? Sünde! Du sollst nicht begehren deines Nächsten Mann! Die Sünde ist eine sehr üble Erfindung Geistlicher. Das lehrte uns bereits Nietzsche.
Die „Schuld“ in der Konversionsneurose ist bei analytischer Aufdeckung also oft ein Fliegenschiss. Der klerikal ausgedachte Bibeljesus liest und bestraft sogar Gedanken. Das ist ein schwerer Verstoß gegen Art. 1 GG Würde! Die Intimsphäre geht keinen Gott etwas an, nicht einmal den des Neuen Testamentes. Es liegen in der Regel also frühkindliche oder auch später stattfindende und meist geradezu lächerliche Verstöße gegen kulturelle Moral und speziell religiöse Gebote vor.
Breuer schreibt uns dazu, dass sich Patienten mit einem Sacco-Syndrom in ihrem „Seelenheil bedroht“ glauben, da sie Gedanken haben können, die „unvereinbar“ mit dem zu eng gemachten Gewissen sind. Breuer wörtlich auf Seite 169: „Dass solcher Konflikt unvereinbarer Vorstellungen pathogen wirkt, ist Sache der täglichen Erfahrung.“ Diese tägliche Erfahrung mache ich ebenfalls werktäglich, andere Psychotherapeuten jedoch selten bzw. nie, gilt doch ein Sprechen über ursächlich wirkende religiöse Dinge in der Psychiatrie als verpönt: Dr. M. Lütz, Chefarzt des Alexianer-Psychiatriekrankenhauses (katholisch) in Köln sagt: In Psycho- Therapeutenkreisen, das müsse man wissen, „redet man nie“ über Religion (Quelle „Gott“, Weltbild). Der Grund: Man habe wohl „schlimme Erfahrungen“ mit Religion gemacht. Verdrängte eigene Gottangst ist es. Es fehle in der Psychiatrie das „transzendentale Denken“, so erklärt Prof. Leuzinger – Bohleber die nahezu flächendeckende autistoide Taubstummheit meiner Kollegen in Sachen Religionsschäden. Im Grunde könnte die heutige Psychiatrie froh sein, nun einen Internisten zu haben, der ihnen die Entstehung psychischer Krankheiten erklärt. Doch man bekämpft mich (noch), und das mit unlauteren Mitteln. In einer Projektion befangen erklärte man mich, einen völlig Gesunden, in einem illegalen Verfahren für ver-rückt. Ich müsse Neuroleptika nehmen. Sonst würde mir meine Approbation entzogen.
Breuer weiter: „Es handelt sich meist um Vorstellungen und Vorgänge des sexuellen Lebens… durch den Konflikt mit der festgewurzelten Vorstellung von sittlicher Reinheit…“ Sexualität hat also schon eine enorme pathogene Potenz, doch nicht etwa in Form einer Kastrationsangst. Elisabeth wies keinen Penis auf. Pathogen wirkt unsere kulturell und religiös vermittelte Zwangsmoral mit ihrer flächendeckenden gewaltsamen Unterdrückung harmloser kindlicher Sexualität. Noch und gerade wieder heute müssen Kinder autoerotische „Sünden“ im Beichtstuhl auf die Frage hin offenlegen: „Hast du dich unten angefasst?“ Bei Nichtbeichte erfolgt nach geltendem Dogma, und das sollte allgemein bekannt sein, jenseitige Strafe. Bischof N. Schneider schreibt, gewisse Sünder kämen in das ewige Feuer Jesu. Ja glaubt man denn heute überhaupt noch? Der Ratsvorsitzende Bedford – Strohm beurteilt den Stellenwert unserer Religion richtiger als unsere heutigen Psychiater: „Religion ist tief in der Seele verwurzelt und prägt die Menschen existentiell“. Kardinal Marx: Die große Zeit des Christentums kommt erst. Der Schriftsteller Durs Grünbein aktuell in der Die Welt vom 18.3.2017, S. 27: „Wieder wird skrupellos Opium ans Volk verteilt. Wer aber nicht mitbeten will… fühlt sich nun seltsam halt- und standpunktslos.“
In der Therapie des Fräuleins v. R. ging Freud so vor, dass er ihr erklärte, man könne nichts für seine gedanklichen Eingebungen. Damit stellt er sich gegen das Dogma der Bergpredigt, in der Jesus geäußert habensoll, es sei bei sündigen Gedanken besser, sich ein Auge auszureißen, also zu erblinden, als in seiner ewigen Hölle zu schmoren. Er, der „Sohn“ Gottes ist es also – bzw. seine Erfinder-, der für die Erkrankung des Fräuleins v. R. die volle Verantwortung tragen. Überhaupt lassen sich die 260 klinischen Fälle, die Sigmund Freud in seiner „Psychopathologie des Alltagslebens“ anführt, ausnahmslos in die vier „Sünden“ nach der Bergpredigt ordnen: 57 x Unaufrichtigkeit, 122 x Selbstsucht, 39 x (sexuelle) Unreinheit, 42 x Lieblosigkeit (Tournier). Der historische Jesus, den ich wegen seines Versuches, die römischen Besatzer aus seinem Vaterland zu vertreiben, sehr schätze, wird nicht der üble, mit Folter drohende Verbrecher gewesen sein, den die Bergpredigt aus ihm macht. Auch soll er mit seinen 32 Jahren (!) mehrfacher Vater, also sexuell recht aktiv gewesen sein.
Freud selbst konnte das Vorliegen eines Sacco-Syndroms immer nur beschreiben, es jedoch nie diagnostizieren, litt er nach eigenem Bekunden ja selbst an einer Konversionsneurose. Sein Symptom: Er fiel in Ohnmachten, sobald die Sprache auf einen Gottesmord kam. Freud wuchs bireligiös auf. Seine katholische Kinderfrau schleppte ihn in jede Kirche. Seine „Sünde“: Die Tötungen seiner beiden Kindheitsgötter Jahwe / Christengott mit dem Satz: „Religion ist Wahn“ (Quelle: Suchmaschinen: „Freud – Ohnmachten“). Immer wenn bei Freud von „Kastrationsangst“ die Rede ist, ist eigentlich, so sehen wir jetzt, Gottangst die wirklich vorliegende Angst. Es war auch die Angst des Ödipus, der mit der Frau Mama Sex hatte. Wirklich Heilen konnte Freud also nicht, war ihm doch der Zugang zu der eigentlichen Pathologie psychischer Erkrankungen versperrt, ein Dilemma, das auch die heutige Psychiatrie aufweist Das Resultat: eine Drehtürpsychiatrie, wie wir sie heute haben.