Das Chiron-Syndrom

Die Sache ist seit der Antike bekannt. Das Syndrom beschreibt die Ursache der hohen Erkrankungs- und Suizidrate bei Psychotherapeuten im weitesten Sinn. Irgendwann kann es doch dazu kommen, dass sie entgegen den Vorschriften ihrer Dachorganisation, in Deutschland der DGPPN, auch die häufigste und schwerste psychische Erkrankung mit Gesprächen therapieren, die es in einer religiös ausgerichteten Gesellschaft wie der unsrigen gibt: das Sacco-Syndrom.

Sie therapieren also einen sündig gewordenen Patienten mit einem klärenden Gespräch über diese Sünde. Und sie schlagen sich auf die Seite ihres Klienten: Sie ordnen die „Sünde“ richtig ein, nämlich als menschgemachte Vorschrift einer mehr oder weniger sadistischen Geistlichkeit bzw. der jeweiligen, Gesetze verfassenden Obrigkeit. Sie schaffen damit ihren Kindheitsgott, ihren Kindheitsglauben ab. Sie erklären sich zu Agnostikern. Wissenschaft nimmt die Stelle früheren Glaubens ein.
Fatal ist: Der „Agnostiker“ bleibt ein konservativ Gläubiger (Beispiel: Sigmund Freud). Seine tiefe Gläubigkeit hat er ebenso tief verdrängt. Wie von einem „giftigen Pfeil getroffen“ erkrankt er an einer Depression, die ihn oft genug zum Suizid oder zur Droge greifen lässt. Es ist die schwerste Depression, die wir Psychoanalytiker kennen. Sie geht einher mit der größten Angst des Menschen, der Jenseits- oder Gottangst.

Chiron, der Arzt des Sünders Prometheus, heilte den schwer an einer masochistischen Depression erkrankten Menschenfreund, indem er ihn von der Kette an diese Erkrankung, die nach der Sage immerhin 3000 Jahre währte, befreite. Die Kette hatte Zeus persönlich angelegt. Das, die Heilung des Prometheus, war Chirons Tod. Es war auch der Tod Sigmund Freuds. Der Menschenfreund Freud schaffte eine Erfindung ab: den strafenden Jahwe. Seine Worte: „Religion ist Wahn“. Er heilte damit unzählige Sacco-Kranke, versank aber selbst in der von ihm so gefürchteten „schwarzen Schlammflut des Occulten“. Er „wählte“ den langsamen Suizid, den Tod durch eine Nikotinsucht. 30 bis 40 % unserer Therapeuten sollen stoffgebunden abhängig sein. Sie bringen sich dreimal öfter um, als der Durchschnitt. Eine kurze Ecclesio-Adversative Therapie hätte Freud womöglich geheilt.

Die unbewusste Angst vor diesem hier vorgestellten Syndrom ist es, die die Psychiatrie in ihren größten Kunstfehler seit 1945 führt: die Abschiebung Sacco-Kranker zu den Verursachern der Erkrankung: Zu den Geistlichen. Hier ist – zum Wohl der Patienten und der Therapeuten – ein Paradigmenwechsel vonnöten.